Donnerstag, 5. Juli 2012

Was kommt nach ACTA? Das Urheberrecht im Digitalen Zeitalter


„Das Urheberrecht im Digitalen Zeitalter - was kommt nach ACTA?" Podiumsdiskussion

4. Juli 2012 - LMU München, veranstaltet von der Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit

Teilnehmer:

Jimmy Schulz MdB, Obmann der FDP-Fraktion im Unterausschuss Neue Medien
Jürgen Enninger, Vorstand des VUT
Prof. Dr. jur Michael Lehman, Universität München
Dr. Bernhard Knies – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht - München

MdB Schultz erklärte seit zwei Jahren gegen ACTA zu kämpfen und begrüßt das Scheitern des umstrittenen Handelsabkommens. Der Parlamentarier sieht das Abkommen insbesondere dem Vorwurf der "Geheimverhandlung" ausgesetzt, da nicht alle interessierten Parteien an der Beratung beteiligt worden seien. Es habe etwa an einer Mitwirkung der Provider gefehlt. Bei künftigen Debatten gelte es deshalb alle Beteiligten frühzeitig einzubeziehen.

Professor Lehmann beklagte, dass bei den Beratungen des Abkommens auch die Wissenschaft nicht einbezogen worden sei. Seiner Meinung nach hätte das Abkommen auch keine inhaltlichen Verbesserungen gebracht. Aus seiner Sicht brauche man ganz generell ein neues Rechtssystem für das Internet.

Auch Knies meinte, dass das Scheitern des Abkommens  wohl ohne messbare Folgen bleiben würde. Denn die Regelungen, die das Abkommen vorsieht, (Unterlassungsanspruch, Schadensersatzanspruch, Enforcement und zivilrechtlicher Auskunftsanspruch, sowie Regelungen zur Strafbarkeit von Urheberrechtsverletzungen) befänden sich heute schon im deutschen Urheber-, und Zivilprozessrecht. Die so oft befürchtete Überwachung des Internets sei heute schon Realität: Die massenhaften Abmahnungen von Privatpersonen für Filesharingverletzungen blieben aber  in der bestehenden Form ohne messbare Wirkung und schädigen die Akzeptanz des Urheberrechts.

In Bezug auf das von der Kommission beim EuGH in Auftrag gegebene Gutachten zu den Auswirkungen von ACTA auf die nationalen Gesetzgebungen wurde von Knies erwartet, dass der EuGH wohl zu der Feststellung kommen werde, dass das gescheiterte Abkommen wohl kaum Handlungsbedarf in den nationalen Gesetzgebungen der Mitgliedstaaten verursacht hätte. Denn die Regelungen des Abkommens finden sich heute schon alle in der Richtlinie zur Informationsgesellschaft und der Durchsetzungsrichtlinie und mussten deshalb von allen Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden.

Enninger berichtete von den Problemen aus der Branche, die an ihn in seiner Eigenschaft als VUT Vorsitzender herangetragen werden. Beklagt würden insbesondere  Vorveröffentlichungen von Alben im Internet, die teils schon vor der offiziellen Veröffentlichung in illegalen Plattformen erhältlich seien, und natürlich erheblichen Umsatzeinbussen der Branche durch Raubkopien.

MdB  Schulz wurde nach seiner Meinung dazu befragt, wie immaterielle Güter künftig geschützt werden sollten.

Schulz vertrat hierzu die Meinung, dass das Geschäftsmodell des Handels mit physikalischen Trägern praktisch tot sei, zudem stelle er fest, dass das bestehende Rechtssystem de facto von großen Teilen der Gesellschaft im Internet mißachtet werde.

Die Musikindustrie habe auf die digitalen Herausforderungen nicht klug reagiert. Auch die Software-Branche sei anfangs von dem Phänomen betroffen gewesen. Die Open Source Bewegung sei eine Folge dieser Entwicklung. Mit innovativen Geschäftsmodellen könne man einen Teil des Problems in den Griff bekommen. Aufklärung und Bildung seien für einen Bewußtseinswandel notwendig. Zudem müsse über neue Regelungen nachgedacht werden.

Professor Lehmann plädierte für neue Regeln in der digitalen Welt. Das alte Urheberrecht sei den digitalen Herausforderungen nur bedingt gewachsen. Lösungen könnten aber nur in einem internationalen Rahmen gefunden werden, das bestehende Urheberrecht sei nicht evolutionsfähig ins Internet hinein, das System müsse aus seiner Sicht deshalb neu strukturiert werden (vgl. etwa auch Lehmann, "Die Krise des Urheberrechts in der digitalen welt" FS für Löwenheim, S. 172 f.).



Dem widersprach Knies, der die Auffassung vertrat, dass die bestehenden gesetzlichen Regelungen nur in Teilbereichen reformiert werden müsste. In diesem Zusammenhang sei insbesondere das von der Bundesjustizministerin geplante Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken mit Reformen zum Urheberrecht zu begrüßen.

Die denkbare Einführung einer Abgabe auf das Internet oder Endgeräte wurde von allen Teilnehmern kontrovers diskutiert, fraglich war insbesondere ob eine solche Abgabe auf Internetanschlüsse oder auf internetfähige Geräte erhoben werden solle. Weiter ob, wie und von wem Einnahmen aus einer solchen Abgabe unter den Gruppen der Kreativen verteilt werden sollten. In diesem Zusammenhang sprach sich insbesondere MdB Schulz gegen technische Erhebungen im Internet aus, welche Dateien wie oft kopiert würden, da dies eine unzulässige Kontrolle der User darstellen würde. Thematisiert wurde auch die Frage, dass eine solche Abgabe nur international Sinn machen würde, es allerdings fraglich erschien, ob und wann auf internationaler Ebene eine solche Zustimmung erreicht werden könne.

Insgesamt wurde eine denkbare Abgabe dennoch überwiegend positiv bewertet auch wenn es noch erheblichen Diskussionsbedarf hierzu geben dürfte.